Neue Gefahrstoffverordnung 2024 ist verabschiedet

 

Neue Mitwirkungspflicht bei Asbest | Fachkunde für alle! | Ampel-Modell für Asbest-Tätigkeiten | Was Sie jetzt wissen müssen

Die Bundesregierung hat in der letzten Woche mit Datum vom 05.12.2024, die neue Gefahrstoffverordnung verabschiedet und veröffentlicht. Somit endet (vorerst) eine jahrelange Debatte mit vielen Beteiligten, unterschiedlichen Interessen und insgesamt 3 vorangegangenen Referentenentwürfen. 

 

Es ist beeindruckend, mit welcher Geschwindigkeit ein eigentlich breit gefasster Konsens vollkommen aufgeweicht wird. Das zusammengefasste Ergebnis in zwei Kernaussagen:

  1. Liebe Arbeitgeber und Auftragnehmer: Hier, eure neuen Pflichten. Ihr schafft das schon irgendwie!
  2. Liebe Veranlasser und Auftraggeber: Es ist alles OK - weiter geht's!

Wie bereits in anderen Fachartikeln geschildert, besteht in der Asbestwelt spätestens seit Veröffentlichung des VDI Diskussionspapier 2015 >>  und der Kernaussage, dass in einem signifikanten Anteil der Baumasse in Deutschland Asbest vorhanden ist, dringender Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers.

 

Durch die nunmehr beschlossene Änderung der Gefahrstoffverordnung sollten die Ergebnisse des nationalen Asbestdialogs >> umgesetzt werden. 

 

Wir möchten Ihnen im Rahmen dieses Fachartikels die wichtigsten Änderungen im Bezug auf das Thema Asbest kurz und verständlich erläutern. Außerdem fassen wir die Konsequenzen und Handlungsfelder für Sie und Ihren Betrieb zusammen. Weiterhin können Sie nachstehend alle Änderungen sowie den kompletten Gesetzestext der GefStoffV downloaden.

die neue Gefahrstoffverordnung bringt Änderungen bei Asbest
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Neue_Gefahrstoffverordnung_GefStoffV_02.12.2024
Gefahrstoffverordnung_GefStoffV_Stand 02
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§ 5a - Besondere Mitwirkungs- und Informationspflichten für Veranlasser

Diese Thematik wurde im Rahmen des nationalen Asbestdialoges lange diskutiert. Letztlich waren sich alle Beteiligten aufgrund der großen und unsichtbaren Gefährdung (asbesthaltige Putze, Spachtelmassen & Fliesenkleber) der Arbeitnehmer im Bausektor einig, dass in letzter Konsequenz der Veranlasser einer Baumaßnahme in die gesetzliche Verantwortung gezogen werden muss, um asbesthaltige Gefahrstoffe frühzeitig zu erkennen und somit die Ausführenden besser geschützt werden. In den ersten beiden Referentenentwürfen wurde dieser Konsens auch im § 5a implementiert. Gekommen ist es am Ende anders:

§ 5a GefStoffV - geplante Version Referentenentwurf:

Derjenige, der Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen veranlasst, hat vor Aufnahme der Tätigkeiten zu erkunden, ob entsprechend der Bau- oder Nutzungsgeschichte des Objekts Gefahrstoffe, insbesondere Asbest, vorhanden oder zu vermuten sind, die durch die Tätigkeiten freigesetzt werden können und zu einer besonderen Gesundheitsgefährdung führen können.

 

Die Vermutung nach Satz 1 kann durch eine historische oder technische Erkundung widerlegt werden.

 

Der Veranlasser hat sämtliche Erkundungsergebnisse zu dokumentieren und vor Aufnahme der Tätigkeiten an das mit den Tätigkeiten beauftragte Unternehmen weiterzugeben.

 

Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für private Haushalte.

§ 5a GefStoffV - Jetzt verabschiedete Version: 

Derjenige, der Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen veranlasst (Veranlasser), hat vor Beginn der Tätigkeiten dem ausführenden Unternehmen alle ihm vorliegenden Informationen zur Bau- oder Nutzungsgeschichte über vorhandene oder vermutete Gefahrstoffe schriftlich oder elektronisch zur Verfügung zu stellen. Der Veranlasser hat sich zur Informationsbeschaffung in zumutbarem Aufwand der ihm zugänglichen Unterlagen zu bedienen.

 

Damit festgestellt werden kann, ob Asbest vorliegt, hat der Veranlasser vor Beginn der Tätigkeiten an Objekten mit Baujahr zwischen 1993 und 1996 das Datum des Baubeginns des Objekts oder das Baujahr des Objekts, sofern das genaue Datum des Baubeginns nicht bekannt ist, an das ausführende Unternehmen schriftlich oder elektronisch zu übermitteln. Bei Objekten mit Baujahr vor 1993 oder nach 1996 reicht die Angabe des Baujahrs aus.

 

Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für private Haushalte.


Moment mal: Der Veranlasser hat sich in einem "zumutbaren Aufwand" der ihm "zugänglichen Unterlagen" zu bedienen? Uns fallen hierzu direkt 5 - 10 Rückfragen ein - einem Baurechtsanwalt eher 20 - 30. Warum diese plötzliche, unambitionierte Aufweichung eines über lange Jahre gefundenen Konsens? Nach unseren Informationsquellen gab es im letzten Moment ein politisches Veto, um 1. eine neues Heizungsgesetz-Debakel in der Öffentlichkeit zu vermeiden und 2. die Sanierungsquoten von Bestandsgebäuden nicht völlig zum Erliegen zu bringen. Zusammengefasst: Der Geldbeutel von Eigentümern soll geschont werden, die Lunge von Arbeitnehmern eher nicht. Die praktische, tatsächliche Verantwortung in der Praxis bleibt nahezu vollständig beim Arbeitgeber. 

 

In den nächsten Jahren werden sich vermutlich Gerichte oder Klarstellungen des LASI-Ausschuss mit dem Thema beschäftigen dürfen, was eigentlich genau ein "zumutbarer Aufwand" oder "zugängliche Unterlagen" in der Praxis bedeuten. Auf die Neuausgabe der nächsten LV 45 >> sind wir jedenfalls gespannt.

 

Auf welche Punkte Sie als Unternehmen beim § 5a achten sollten:

  • Fordern Sie vor Angebotsabgabe bzw. bei LV's die in § 5a geforderten Unterlagen ab, sofern Sie im Rahmen des Auftrages Eingriffe in bestehende Bausubstanz vor 1993 durchführen.
  • Lassen Sie sich vom Veranlasser vor Beginn der Arbeiten bestätigen, dass er Ihnen alle vorliegenden Informationen zur Bau- oder Nutzungsgeschichte - insb. im Hinblick auf Asbest - zur Verfügung gestellt hat.

Überbauungs- & Überdeckungsverbote wurden überarbeitet - welche Tätigkeiten an Asbest verboten sind

Der neue § 11 konkretisiert die Herstellungs- und Verwendungsbeschränkungen zu Asbest und pflegt Inhalte aus der TRGS 519 sowie der LV 45 >> und der Asbest Richtlinie ein. Die verbotenen Tätigkeiten mit asbesthaltigen Bauteilen werden von der "alten" Anlage II Nr. 1 in den neu eingefügten § 11 gehoben und werden insb. durch die Absätze (2) und (3) konkretisiert. Weiterhin werden die wichtigen Begrifflichkeiten Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten näher erläutert und auf den neusten Stand gebracht. 

 

Im Absatz (3) wird das Überdeckungsverbot, welches in den letzten Jahren immer wieder für Diskussionen sorgte, neu gefasst. Demnach ist eine feste Überdeckung oder Überbauung asbesthaltiger Bauteile oder Materialien in oder an baulichen Anlagen, die beim früheren Einbau einzeln befestigt wurden, verboten. Weiterhin sind Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten an nicht vollflächig beschichteten Asbestzementdächern und Außenwandverkleidungen aus Asbestzement verboten.

Das Überdeckungsverbot für asbesthaltige Bauteile oder Materialen wird somit nicht 1:1 aus den Leitsätzen der LV 45 übernommen, sondern definiert dieses nun über eine "einzelne Befestigung" (z.B. AZ-Platten, Floor-Flexplatten, AZ-Kanäle oder Leichtbauplatten) für außen und innen!

 

Der neue Begriff der "Sanierungsarbeiten" ist zu erwähnen. Im Absatz (2) Nr. 2 weicht die Definition von der in der TRGS 519 ab. Hier wird nunmehr nur noch von "räumlicher Trennung" und "vorläufiger Sicherung" gesprochen, sofern ein vollständiges Entfernen nicht sofort möglich ist. Verwiesen wird im Absatz (3) in diesem Zusammenhang jedoch auf die TRGS 519 sowie weiterhin, indirekt auf die Asbest Richtlinie >>.

 

Zu den Instandhaltungsarbeiten gelten in der neuen Gefahrstoffverordnung jetzt auch Tätigkeiten zur „funktionalen Instandhaltung“ im Bereich geringer und mittlerer Risiken (vgl. "Ampel-Modell" weiter unten). Im Sinne der Verhältnismäßigkeit werden damit Arbeiten ermöglicht, die der laufenden Nutzung einer baulichen Anlage oder der Anpassung an den Stand der Bautechnik dienen, und bei denen zwingend Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialien notwendig sind. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Das Setzen neuer Steckdosen in Wänden
  • Anpassungen an Brandschutzforderungen
  • Modernisierung der Gebäudetechnik
  • Altersgerechtes Umbauen oder Maßnahmen zur energetischen Sanierung
  • Die serielle Sanierung, bei der unter anderem vorgefertigte Fassaden- und Dachelemente durch Verankerungen angebracht werden, zählt ebenfalls dazu (die Gebäudefassade kann in diesem Fall beispielsweise asbesthaltige Putze, Spachtelmassen, Fugenmassen oder andere asbesthaltige bauchemische Produkte enthalten).

Weiterhin gelten die folgenden Bedingungen (vgl. Absatz (5)):

  1. I-Arbeiten im Bereich hohen Risikos sind nicht erlaubt (Faserfreisetzung > 100.000 F/m³)
  2. Das Ende der Nutzungsdauer des asbesthaltigen Materials ist nicht erreicht (ist der Fall, wenn das Material seine ursprüngliche Funktion noch erfüllt)
  3. Das Vorhandensein asbesthaltiger Materialien wird nicht in einer Form kaschiert, die ein späteres Erkennen verhindern oder erheblich erschweren würde
  4. Ein späteres vollständiges Entfernen des asbesthaltigen Materials durch die Tätigkeit wird nicht erheblich erschwert

 

Auf welche Punkte Sie als Unternehmen beim § 11 achten sollten:

  • Achten Sie auf den Absatz (3) bzgl. der verbotenen Tätigkeiten. Hier winken sonst empfindliche Bußgelder bis hin zu Straftatbeständen!
  • Sie führen Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten an asbesthaltigen Bauteilen durch? Prüfen Sie Ihre Arbeitspläne und Gefährdungsbeurteilungen. Treffen Ihre konkreten Tätigkeiten noch zu und sind diese per neuer Definition als Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeit zu definieren? Sprechen Sie hier im Zweifel mit Ihrer zuständigen Behörde (Hier geht es zur aktuellen Liste aller zuständigen Behörden im Bundesgebiet >>).

Für Unternehmen gibt es mehr Arbeit und Verantwortung beim Thema Asbest

Die §§ 6 - 10 sowie § 11a führen eine ganze Reihe an neuen Arbeitgeberpflichten im Zusammenhang mit ASI-Arbeiten an asbesthaltigen Bauteilen auf:

 

1.  § 6 Absatz (2a) - (2c):

Der Arbeitgeber hat die ihm gemäß § 5a durch den Veranlasser zur Verfügung gestellten Informationen dahingehend zu prüfen, ob Gefahrstoffe bei den Tätigkeiten

an den baulichen oder technischen Anlagen freigesetzt werden und zu einer Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten führen können. Reichen ihm diese Informationen nicht aus, so hat er dies bei seiner Gefährdungsbeurteilung vor Beginn der Tätigkeiten im Rahmen einer besonderen Leistung selbst zu prüfen. Ist er fachlich hierzu nicht in der Lage, hat er sich laut Absatz (2b) eines "externen Sachverstands" zu bedienen - insb. auch dann, wenn für die sachgerechte Prüfung eine "technische Erkundung" erforderlich wird.

 

Der Begriff der besonderen Leistung verweist hier auf die Pflichtenverteilung im Bauvertrag gemäß der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) und findet auch in sonstigen Bauverträgen entsprechend Anwendung. In der Konsequenz unterfällt die Prüfung dem Arbeitgeber und ist vom Veranlasser zu vergüten. 

 

Folglich können folgende Kernaussagen zu den Absätzen (2a) - (2c) getroffen werden: 

  1. Der Arbeitgeber muss im Vorfeld Informationen vom Veranlasser hinsichtlich asbestbelasteter Bauteile + Baujahr abfordern.
  2. Entweder der ausführende Betrieb (Handwerker, Abbruchunternehmer) besitzt eigenes, fachliches Know-How, um die Qualität der bereitgestellten Information seitens des Veranlassers (vgl. § 5a) ausreichend zu prüfen oder er muss sich Hilfe holen (z.B. Sachverständiger).
  3. Ist das Baujahr des Gebäudes vor Oktober 1993, muss der Arbeitgeber seine Leistung automatisch auf das Prüfen von unklaren Unterlagen ausweiten und im Anschluss möglicherweise direkte Nachträge bzgl. einer "besonderen Leistung" stellen (eigene Prüfung der vor-Ort-Gegebenheiten oder Weitergabe an einen Sachverständigen).

Auf der nachfolgenden Folie ist eine Übersichtsmatrix abgebildet, welche den Ablauf der Anforderungen des § 6 Absatz (2a) – (2c) darstellt:

Vorgehensweise neue Gefahrstoffverordnung asbesthaltige Produkte - bei Gefährdungsbeurteilungen

Abhilfe bzgl. der "technischen Erkundung" kann hier übrigens die VDI 6202 Blatt 3 schaffen, welche einen Standarduntersuchungsumfang im Rahmen der Erkundung festlegt (siehe hierzu auch unseren Fachartikel zur VDI 6202 Blatt 3 >>). 

2.  §§ 7 - 10 - Dokumentation & Schutzmaßnahmen:

Bei den Themen Gefährdungsbeurteilung, Grundpflichten des AG, Expositionsverzeichnis und Schutzmaßnahmen haben sich ebenfalls einzelne Anforderungen geändert. Diese Themen sind jedoch grundsätzlich nicht neu und wurden im asbestspezifischen Bereich jetzt z.T. von der TRGS 519 in die Verordnungsebene gehoben und anders strukturiert.

 

Die BG RCI hat hier ein sehr gutes Video produziert, welches die wesentlichen Änderungen in diesen Bereichen gut erklärt:

Weitere Pflichten der neuen Gefahrstoffverordnung 2024 im Hinblick auf Asbest

3.  § 11a - Spezifizierung Fachkundeanforderung + Erweiterung Sachkunde

Die neu definierte Fachkunde nach § 11a Absatz (5) Nr. 3 umfasst fachliche Kenntnisse und Fertigkeiten, die erforderlich sind, um Tätigkeiten mit Asbest fachgerecht durchzuführen zu können. Diese können im Rahmen der Berufsausbildung, durch innerbetriebliche Schulungen oder durch die Teilnahme an entsprechenden Fortbildungsmaßnahmen erworben werden. Hinsichtlich des Inhalts und Umfangs der Fachkunde wird im § 20 GefStoffV auf die TRGS 519 verwiesen. Diese wird im Übrigen in den kommenden Monaten veröffentlicht werden.

 

In Zukunft müssen also neben den Sachkundigen im Betrieb (Anlage 3 oder 4C TRGS 519 >>) auch sämtliche Mitarbeiter, welche ASI-Arbeiten ausführen, eine Fachkunde gemäß GefStoffV besitzenIm § 25 Absatz (5) ist diese Fachkunde bis zum 5. Dezember 2027 nachzuweisen. Wir werden hier im nächsten Jahr geeignete Formate entwickeln, so dass diese Fachkunde bei allen Mitarbeitern erlangt werden kann.

Neu ist weiterhin die Sachkundeanforderung für Tätigkeiten mit potenziell asbesthaltigen Materialien, zum Beispiel für Arbeiten im Gleis-, Straßen- und Tunnelbau sowie in Steinbrüchen. Hierfür gilt wie bei der Fachkunde, eine Übergangsfrist von drei Jahren bis  zum 5. Dezember 2027.

Auf welche Punkte Sie als Unternehmen bei der geforderten Fach- & Sachkunde achten sollten:

  • Die zuständigen Behörden werden von Ihnen als Unternehmen ab Dezember 2027 Fachkundenachweise aller Mitarbeiter bereits im Rahmen der Anzeige verlangen, welche Umgang mit asbesthaltigen Produkten haben.
  • Sie sind im Gleis-, Straßen-, Tunnelbau oder in Steinbrüchen tätig und haben Umgang mit potenziell asbesthaltigen Materialien? Beachten Sie die Ausweitung der Sachkundeanforderung auch auf diese Bereiche.
  • Bereiten Sie sich frühzeitig vor: Sobald die neue TRGS 519 erscheint, wo die Schulungsinhalte konkretisiert werden, entwickeln wir geeignete Formate, so dass diese Fachkunde bei allen Mitarbeitern erlangt werden kann. Wir halten Sie hier auf dem Laufenden.
Fachkunde Asbest in der neuen Geahrstoffverordnung verankert

Implementierung Akzeptanz- & Toleranzkonzentration in die GefStoffV - "Ampelmodell" gem. TRGS 910

Mit der Überarbeitung der Gefahrstoffverordnung wird ein risikoorientiertes Maßnahmenkonzept für den Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen, insb. beim Umgang mit Asbest, eingeführt. Das „Ampel-Modell“ ermöglicht es Unternehmen, Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen entsprechend dem Risiko gezielt festzulegen. Je höher die Exposition am Arbeitsplatz, desto umfassender müssen die Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten gestaltet sein. Dieses Risikokonzept nach Maßgabe der TRGS 910 wird nun in die GefStoffV "gehoben". Die Praxis hat gezeigt, dass die bei den Tätigkeiten entstehenden Expositionen nur bedingt der Bindungsform folgen. Daher wird künftig nicht mehr zwischen „schwach gebundenem“ und „fest gebundenem“ Asbest unterschieden.

 

Konkret wird hier unterschieden zwischen 3 Risikostufen:

  1. Verbleib unterhalb der Akzeptanzkonzentration: Geringes Risiko - somit geringe Anforderungen an Schutzmaßnahmen im Umgang mit Asbest.
  2. Überschreitung der Akzeptanzkonzentration bis Erreichen der Toleranzkonzentration: mittleres Risikodeutlich erhöhte Anforderungen an Schutzmaßnahmen im Umgang mit Asbest. 
  3. Überschreitung der Toleranzkonzentration: hohes Risiko - hohe Anforderungen an Schutzmaßnahmen im Umgang mit Asbest

Die TRGS 519 wird sich folglich in der neuen Anlage 9 signifikant erweitern und der Ansatz der tabellarischen, tätigkeitsbezogenen Expositions-Risiko-Matrix bekommt endlich den dringend benötigten Schub (vgl. auch TRGS 519 - Anlage 9)! In der nachfolgenden Grafik haben wir die Zusammenhänge noch einmal verdeutlicht:

Neue Gefahrstoffverordnung 2024 - Ampel-Modell und Risikoklassen

Für Tätigkeiten mit einer Exposition unterhalb 1.000 F/m³ gelten keine asbestspezifischen Anforderungen. Diese Vorgehensweise ist kompatibel mit der Asbestrichtlinie, die Ausnahmen für Tätigkeiten mit gelegentlicher, geringer Exposition vorsieht.

Zwar sinnvoll, aber nicht wirklich neu: Die "Überleitungshilfe" zur Anwendung der TRGS 519

Der AGS hat mit Fassung vom 11.12.2024 eine Überleitungshilfe zur Anwendung der TRGS 519 bis zur Anpassung der TRGS 519 an das Risikokonzept der Gefahrstoffverordnung erarbeitet.

 

Das wurde notwendig, da die neue GefStoffV bzgl. des risikobezogenen Maßnahmekonzepts keine Übergangsregelungen vorgesehen hat. Die wichtigsten Punkte hierzu:

  • Die meisten Risikozuordnungen sind nicht wirklich neu und gibt es bereits seit vielen Jahren (vgl. Tabelle in der Überleitungshilfe).
  • Tatsächlich neu ist die Einstufung von Instandhaltungsarbeiten gemäß Nr. 17.3 & 17.4 TRGS 519 in den gelben Risikobereich (< 100.000 F/m³).
  • Lassen Sie sich nicht von den neuen Qualifikationen irritieren: Sachkunden nach Anlage 4/4C bzw. 3 sind nach wie vor gültig und Sie dürfen alle Tätigkeiten ausführen, wie bisher.

WICHTIG: Passen Sie Ihre Gefährdungsbeurteilungen an, wie in der Überleitungshilfe beschrieben. Hierzu empfehlen wir folgende Vorgehensweise: 

Klicken Sie auf die Grafik, um diese zu vergrößern:

Übergangsregelung neue Gefahrstoffverordnung zur neuen TRGS 519
Download
GefStoffV_Ueberleitungshilfe_TRGS_519
neue_GefStoffV_Ueberleitungshilfe_TRGS_5
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  1. Stufen Sie Ihre konkrete Tätigkeit anhand der Spalte "Tätigkeit" ein. Diese Tätigkeiten kennen Sie bzw. der Sachkundige bereits (vgl. TRGS 519!).
  2. Prüfen Sie mögliche Einschränkungen und legen Sie anhand der TRGS 519 die Schutzmaßnahmen fest.
  3. Gehen Sie in die Spalte "Risikozuordnung" und übertragen diese Zuordnung (niedriges, mittleres oder hohes Risiko) in Ihre Gefährdungsbeurteilung.

Ein Beispiel: Sie möchten Abbrucharbeiten an einem Asbestzementdach (250m²) durchführen: Dies ist eine Tätigkeit gemäß TRGS 519 Nr. 16.2 und wäre gemäß der Tabelle in der Überleitungshilfe ein mittleres Risiko.

Folgen der neuen GefStoffV für Ihren Betrieb - Zusammenfassung

Die neue Gefahrstoffverordnung bringt sowohl für den Auftraggeber als auch für die Unternehmen einige Änderungen mit sich. Unsere Zusammenfassung für Sie und Ihr Unternehmen:

  1. Lesen Sie sich ergänzend zu diesem Fachartikel die neue GefStoffV aufmerksam durch (wir haben nicht sämtliche Änderungen aufgegriffen!).
  2. Schärfen Sie Ihren Blick bzgl. des neuen § 5a: Holen Sie sich im Vorfeld der Maßnahme, die Informationen, die Ihnen zustehen und beanspruchen professionelle Hilfe, wenn Sie nicht weiterkommen. 
  3. Prüfen Sie Ihre Gefährdungsbeurteilungen, integrieren die neue Risikozuordnung gem. Überleitungshilfe und richten spezifische Fachfragen bzgl. der neuen GefStoffV an Ihre zuständige Behörde.
  4. Bewerten Sie die verbotenen Tätigkeiten an asbesthaltigen Produkten für Ihr unternehmerisches Tätigkeitsprofil neu und justieren ggf. nach. 
  5. Achten Sie zwingend auf die Deadline bzgl. der neu geforderten Fachkunde und ggf. Sachkunde für Ihre Kollegen bzw. Mitarbeiter bis zum 05.12.2027.

Unsere Meinung zur neuen Gefahrstoffverordnung: Immer noch zu viel Verantwortung bei den Unternehmen - gepaart mit noch mehr Aufgaben und To Do's. Die Mitwirkungspflicht des Veranlassers enttäuscht hingegen. Gut und richtig ist es, alle Mitarbeiter fachtechnisch abzuholen. Die Implementierung eines Ampel-Modells finden wir gelungen, wenngleich die neue TRGS 519 hier im nächsten Jahr über den tatsächlichen Erfolg entscheiden wird. 

 

Nutzen Sie den kommenden Winter >>. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

 

Herzlichst - Ihr Team der Asbest Akademie (Autor: M.Sc. Volker Eink).

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