Asbest kompakt.
Informieren Sie sich in kompakten Beiträgen rund um das Thema Asbest. Wir möchten Ihnen an dieser Stelle aktuelle Informationen zu Änderungen der technischen Regeln, Lehrgängen oder branchenspezifischen Arbeitstechniken zur Verfügung stellen.
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Asbest im Schornsteinfegerhandwerk: Die vergessene Gefahr?
Hintergrund
Am 20.03.2014 ist im Ministerialblatt eine geänderte TRGS 519 erschienen (aktuelle Version >>), die durch den Ausschuss für Gefahrstoffe ermittelt bzw. angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekannt gegeben wurde. Konkret wurde die TRGS 519 in einigen Punkten dem Stand der Technik angepasst und erweitert. Eine wesentliche Änderung ist der Wegfall der bisherigen Anlage 5 (Lehrgangsinhalt für den Sachkundenachweis bei Schornsteinfegern: 5 Lehreinheiten, ohne behördliche Anerkennung) und der Verweis auf den neuen, aktualisierten Sachkundenachweis (kleiner Asbestschein) in Anlage 4 nach 2.7 TRGS (14 Lehreinheiten, mit behördlicher Abnahme der Prüfung, ist im sechsjährigen Turnus durch Fortbildung nachweislich aufzufrischen).
Allein die Tatsache der Verschärfung der Anforderungen hinsichtlich des Sachkundenachweises (Asbestschein) bei Arbeiten mit geringer Exposition (Bsp. Kamera- oder Schwammverfahren) durch den Gesetzgeber zeigt ein bisher offenbar unterschätztes Gefährdungspotenzial im Umgang mit Asbest auf. Es ist außerdem festzuhalten, dass in Zukunft nicht nur Arbeiten mit geringer Exposition eine alleinige Relevanz im Schornsteinfegerhandwerk einnehmen, sondern durch die Liberalisierung des Handwerks auch andere Tätigkeiten, die über die bisher klar definierten Kehr- und Überprüfungsarbeiten an Feuerungsanlagen hinausgehen, ein nicht zu vernachlässigbares Tätigkeitsfeld einnehmen werden.
Der Großteil an Asbestprodukten im Gebäudebestand ist noch verbaut. Sowohl der Bereich der Asbestzementprodukte, wie auch der Bereich der schwach gebundenen Asbeste können eine deutliche Präsenz im Schornsteinfegerhandwerk aufweisen. Natürlich ist die Relevanz des Vorkommens in der Praxis stark von den Tätigkeiten des jeweiligen Betriebes abhängig, wobei sich sicherlich kein Betrieb gänzlich von der Gefährdung abgrenzen kann. Die Frage die sich in diesem Zusammenhang stellt: Ist die neu geforderte Sachkunde und der damit verbundene Schulungsaufwand nötig oder zeichnet sich hier eine neu geforderte, staatlich übertriebene Sensibilisierung ab?
Gefährdungsanaylse
Fakt ist, das es aus arbeitsmedizinischer Sicht keinerlei Wirkungsschwelle für Asbest gibt. Was also bedeutet, dass nicht die Dauer der einzelnen punktuellen Exposition von entscheidender Bedeutung ist, sondern eben die Aufsummierung der gesamten Exposition während des gesamten Belastungszeitraumes. In diesem Sinne ist der Belastungszeitraum als ein gesamtes Arbeitsleben zu betrachten und die während diesem Zeitraum eingeatmete Fasermenge nicht als gefährlich oder ungefährlich definiert.
Hinzu kommt eine sogenannte Synkanzerogenese (bezeichnet eine Verstärkung der Tumorauslösung durch gleichzeitiges oder aufeinanderfolgendes Einwirken mindestens zweier krebserregender Stoffe) zwischen PAK’s und Asbest, was in einer Vielzahl tierexperimenteller und epidemiologischer Studien bestätigt wurde. Im „Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 4114“ vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist der Beruf des Schornsteinfegers als einer von neun typischen Berufen in dem beide Expositionen auftreten können, beschrieben. Im Fall der synergistischen (gegenseitiges vervielfältigen trotz geringer Konzentration) Synkanzerogenese durch das Zusammenwirken der beiden gentoxischen Arbeitsstoffe Asbestfaserstaub und PAK besteht in der Regel eine mindestens additive Erhöhung des Lungenkrebsrisikos.
Weiterführend zu den anerkannten Berufskrankheiten und deren Auswirkungen können auch andere Kombinationen von verschiedenen Expositionen eine mindestens additive Erhöhung von Atemwegserkrankungen hervorrufen. Diese Mischexpositionen können beispielsweise sein:
· Asbest – Feinstaub
· Asbest - Zigarettenrauchinhalation
· Asbest – PAK – Feinstaub
· Asbest – PAK – Feinstaub – Zigarettenrauchinhalation
Es gilt weiterhin als ungeklärt in wie weit die Schornsteinfegerbetriebe mit Feinstaub in Berührung kommen und wie sich dies in Zusammenhang mit Asbest gesundheitlich auswirkt. Angenommen, man nimmt den „Worst Case“ und bewertet die zusätzliche Belastung von Feinstaubexpositionen ähnlich wie Zigarettenrauchinhalation als exponentiellen Anstieg der Gefahr einer Atemwegserkrankung, besteht hier ein deutlicher Klärungsbedarf hinsichtlich Aufklärung, Sensibilisierung und Prävention.
Untersuchungen über das Zusammenwirken dieser zusätzlichen Belastungen mit Asbest sind laut dem Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund lediglich in Studien über die Mischbelastung von Zigarettenrauchinhalation und Asbestexposition bekannt. In 2 Studien ist der synergistische Effekt der Mischbelastung Asbest – Zigarettenrauchinhalation bestätigt worden. Sowohl im Bericht der internationalen Krebsforschungsagentur (IARC), als auch in der breit angelegten Studie von Professor Markowitz von der „American Thoracic Society (ATS)“ wurde ein exponentieller Anstieg des Risikos eine Atemwegserkrankung zu erleiden, definitiv bestätigt.
So ist zum Beispiel das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken, 37-mal höher wenn eine Mischbelastung vorliegt als wenn nur ein Risikofaktor vorhanden ist. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit zum Thema Asbest im Schornsteinfegerhandwerk fand eine deutschlandweite Umfrage statt. Die detaillierte Auswertung kann und soll hier nicht weiter erläutert werden. Sie beschäftigte sich im Kern mit folgenden Fragestellungen:
1. In wie weit sehen sich die Betriebe und dessen Mitarbeiter selbst gefährdet?
2. Können die Betriebe die Gefahr vor Ort einschätzen und entsprechend kategorisieren?
3. Sind die Betriebe ausreichend sensibilisiert und ausreichend informiert?
Die definierten Fragestellungen können zusammenfassend beantwortet werden. Die Schornsteinfegerbetriebe sind sich trotz regelmäßigem Kontakt mit dem Gefahrstoff Asbest nicht einig, in wie weit sie der Gefährdung ausgesetzt sind. Es herrscht vor allem breite Unsicherheit bezüglich des Umgangs mit Asbest. Allein die Tatsache das über zwei Drittel der Befragten keine geeignete Filtermaske besitzen oder sich gar nicht sicher sind ob eine vorhanden ist, zeigt das hier offenbar ein Thema nahezu ignoriert wird. Trotzdem zeichnet sich bei den Schornsteinfegern, explizit in Bezug auf neue Tätigkeitsfelder, ein Bewusstsein ab, mit der Folge dass die deutliche Mehrheit der Befragten die Sinnhaftigkeit von Weiterbildung - hier also der Besuch eines Asbestlehrgangs (Asbestschein TRGS 519 4C) und Sensibilisierung klar befürwortet.
Fazit
Nimmt man also alle zuvor beschriebenen Faktoren zusammen und formuliert ein Fazit der gesamten Gefährdung, so präzisiert ein Wort die gesamte Analyse sehr treffend: Unwissenheit. Weder das Potenzial des Gefahrstoffes Asbest ist hinreichend geklärt, noch wie man damit genau umgeht sowie ausreichende Informationen bezüglich diverser anderer Faktoren, insbesondere durch Zusammenwirken anderer Gefahrstoffe hervorgerufenen, sind nicht oder nicht vollständig in den Betrieben angekommen. Natürlich ist die Gefährdung bei jedem Berufsangehörigen als individuell zu betrachten. Des Weiteren sind die Kontaktzeiten- und Häufigkeit, was bei der Belastung von entscheidender Bedeutung ist, in aller Regel als gemäßigt einzustufen.
Dennoch ergibt sich bei den Betrieben ein nicht geringer Handlungsbedarf. Die Umfrage bei den Beschäftigten zeigte große Wissenslücken und fehlende Sensibilisierung auf, die das Thema „Asbest im Schornsteinfegerhandwerk“ in der Konsequenz als „kein Thema“ aufdeckte. Die Folgen von den besagten Mischbelastungen können zu diesem Zeitpunkt nicht geklärt werden. Hier ergibt sich ebenfalls Klärungsbedarf der sich mit der Untersuchung von synergistischen Effekten auseinandersetzen muss. Zumal die Belastung, speziell von anderen anorganischen Stoffen wie Feinstaub und PAK, eine deutliche Präsenz im Handwerk haben.
Ausblick:
Das Thema Asbest im Schornsteinfegerhandwerk mit all seinen Facetten war nie präsenter als zurzeit, wo hingegen die absolute Gefährdung des Gefahrstoffes weder abnahm, geschweige denn pausierte. Man könnte die Verschärfung der Gesetzeslage und den damit verbundenen Aufwand durchaus kritisch beurteilen. Diese kritische Haltung ist bei genauerer Betrachtung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber aber nahezu vollständig von der Hand zu weisen. Vorrangig und Entscheidend in letzter Konsequenz ist die Chance ein Bewusstsein wieder herzustellen, was lange und unbewusst ignoriert wurde. Jeder Schornsteinfeger ist gut beraten, wenn er die „vergessene Gefahr“ durch Teilnahme an einem Asbest Lehrgang (Asbestschein gem. TRGS 519 Anlage 4C) wieder zu einer Gefahr werden lässt, die nie weg war und noch lange da sein wird.
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